Vollmond
Eine Nacht im MenschenkörperKurz bevor der Vollmond über dem Wald aufgeht, versammelt sich das Rudel in dem viele Jahrhunderte alten, schon halb verfallenen Tempel, der sich am Rand des Territoriums befindet, verborgen zwischen den Schatten der ältesten Bäume des Waldes.
Die Anwesenheit ist absolute Pflicht. Wer insgesamt dreimal die Rituale verpasst, hat keine Chance mehr, eines Tages wieder seine menschliche Gestalt anzunehmen. Diese Tatsache wird manchmal als sehr mächtige Drohung benutzt, um diejenigen, die die Regeln nicht so genau nehmen, in ihre Schranken zu weisen.
Der Alpha eröffnet zu Beginn die Versammlung und redet kurz über die Entwicklungen des zurückliegenden Monats, sowie die Ziele für den kommenden. Manchmal werden bei diesen Versammlungen Mitglieder im Rang befördert oder degradiert, Rangkämpfe werden jedoch nur in sehr seltenen Ausnahmefällen durchgeführt.
Sind diese ersten kleineren Abläufe abgeschlossen, beginnt, warum das Rudel sich eigentlich versammelt:
Zum Abhalten dreier Rituale.
Die Sucher haben den ganzen Monat immer wieder ihr Leben riskiert, um die notwendigen, schwer zu beschaffenden Materialien zu besorgen. Sie vorrätig zu lagern für kommende Monate ist nicht möglich.
Das Ziel der Rituale ist es zum einen, Meilensteine auf dem Weg zum großen Ziel zu setzen, zum anderen, die Macht der Wolfsseelen zu stärken und es ihnen zu ermöglichen, sich weiterhin im Diesseits aufhalten zu können.
Das heilige Wasser

Die Opfergabe

Bei diesem Ritual wird den Wolfsseelen eine seltene, pechschwarze Schlange geopfert, die "Todeskobra" genannt wird aufgrund des einem Totenschädel ähnlichen Musters, das ihr Nackenschild prägt. Das hochgiftige Tier ist hauptsächlich in der Asche des Vulkans zu finden, in die sie sich eingräbt und dort, vollkommen unsichtbar, auf Opfer lauert. Zwar tötet das Gift einen Wolf meist nicht, doch es lässt ihn tagelang fürchterliche Schmerzen erleiden, da das fast sofort ins Blut gelangende Gift eine ätzende Wirkung hat. Wer nicht rechtzeitig das Gegengift verabreicht bekommt, kann aufgrund des zerstörerischen Prozesses, der im Körper stattfindet, nie mehr so seinen Aufgaben nachgehen wie früher und verliert somit oft seinen Rang.
Was das zweite Ritual noch schwieriger macht:
Die gefangene Schlange muss im lebendigen Zustand verbrannt werden. Zum Entfachen des Feuers werden die seltenen, nur in der Echschlucht zu findenden Feuersteine verwendet. Die dabei entstehenden Dämpfe verstärken das bereits vorhandene Taubheitsgefühl und lassen die Anwesenden schließlich ihr Bewusstsein verlieren.
Die Verwandlung

Sobald die Dämpfe sich verzogen haben, kommen die Rudelmitglieder allmählich wieder zu sich - doch sie befinden sich nicht länger in ihren Wolfskörpern. Die Hüllen wurden abgeworfen und die Versammelten stehen sich in ihren menschlichen Körpern gegenüber, in den Klamotten, die sie auch am Tag der ersten Verwandlung getragen haben. Solange sie sich im Tempelsaal befinden, herrscht Schweigen - das ist die strenge Regel. Wortlos verlassen nun alle das alte Gebäude, und erst, wenn das Licht des Vollmonds sie berührt, ist es erlaubt, wieder zu reden.
Wenn die Rudelmitglieder schließlich in ihrer menschlichen Gestalt wieder aus dem Tempel heraus treten, haben sie prinzipiell alle Freiheiten - solange sie nicht gegen den Rudelkodex verstoßen. Es bietet sich jedoch an, die Zeit zu nutzen: beispielsweise um Körbe zu flechten oder Material zu besorgen, an das man im Wolfskörper nicht heran kommt.
Doch es gibt Ablenkungsfaktoren:
Das heilige Wasser an den Qullsteinen sowie die Beeren aus dem Rosental - beide verursachen normalerweise eine zeitweise Verwandlung in die Menschengestalt - üben bei Schein des Vollmonds eine besonders große Anziehungskraft auf die Verwandelten aus. Isst man als Mensch jedoch von den verlockenden Beeren oder kommt in Berührung mit dem heiligen Wasser verfällt man mehr und mehr dem sogenannten Mondrausch, einem Drogenähnlichen Zustand. Man fühlt sich leichter, unbeschwerter, sorgloser, manche Personen auch wollüstiger - doch bei zu viel Konsum / Kontakt schlagen diese Effekte schnell um und können zu Übelkeit, Halluzinationen und in manchen Fällen auch Agessivität führen. Das kann von Person zu Person unterschiedlich sein.
Geht am nächsten Morgen die Sonne auf so löst der erste Sonnenstrahl, von dem man berührt wird, die Rückverwandlung zum Wolf aus.